Beschreibung
Jahrzehntelang wurden das Waldviertel und seine Bewohner von der Textilindustrie geprägt. Nach dem Niedergang der Textilbranche stehen zahlreiche dieser Industriegebäude leer und sind nur noch Baudenkmäler. Einige jener funktionslos gewordenen Produktionshallen der Textil- und auch der beinahe bedeutungslos gewordenen Glasindustrie erinnern noch heute an die wirtschaftlichen Glanzzeiten des Waldviertels.
Das Leben im Waldviertel hat sich im letzten halben Jahrhundert stark verändert. Unternehmen haben ihre Standorte an die Ränder der Städte verlagert, die Anforderungen, Wünsche und Bedürfnisse der Konsumenten haben sich verschoben und Arbeitsbedingungen geändert. Zeugnis davon sind leerstehende Geschäftslokale, Greißlereien und Gewerbebetriebe. Seltene Handwerksberufe wie Kürschner und Hufschmied sind fast vollständig verschwunden. Auch das Freizeitverhalten und die Mobilität der Menschen haben sich stark gewandelt, nicht mehr bespielte Kinos und aufgelassene Bahnhöfe sind die Folge davon. Nicht alles, was verschwindet, hat negative Auswirkungen: Der Abbau des Eisernen Vorhangs zwischen Österreich und der Tschechoslowakei im Jahr 1989 führte zu einem Aufschwung der Regionen auf beiden Seiten der Grenze und zu neuen Möglichkeiten im Zentrum Europas.
Die Autoren begeben sich auf die Spuren des verschwundenen Waldviertels und auf einen Streifzug durch die Geschichte der Region. Sie dokumentieren den Wandel der Zeit und fanden auf ihrer Entdeckungsreise nicht mehr genutzte und vergessene Bauwerke: Kaffee- und Gasthäuser, Mühlen und Sägewerke, Kaufhäuser und Greißler, Bauernhöfe und Wohnhäuser, Kinos und Zollstationen, Textilmanufakturen und Bahnhöfe.
- Das Kultlokal im Waldviertel schlechthin. Die Kroko-Bar von Johann Gramanitsch in Waidhofen an der Thaya war weit über die Bezirksgrenzen hinweg bekannt.
- Die Auslage des ehemaligen Caffee Central in Raabs an der Thaya dient heute einem Reiseunternehmen als Werbefläche.
- In Thunau, einem Ortsteil von Gars am Kamp, wurde 1910 nur zwei Gehminuten vom Bahnhof entfernt ein mondänes Hotel errichtet.
- Das Kino in Groß Gerungs: In den 1990ern wurde das Kinoprogramm eingestellt. Bis Ende 2019 war die Jugendkulturinitiative „das Konzept“ im ehemaligen Kino heimisch.
- Nachdem das ehemalige Kino in Allentsteig seinen Betrieb eingestellt hatte, wurde es unter dem Namen „Avalon“ zum Aushängeschild der Jugendkultur im Waldviertel.
- Statt Geschäftstreiben bietet das ehemalige Kaufhaus Lager in Gars am Kamp heute nur noch einen Platz für eine kurze Rast.
Weitere Impressionen aus dem Band
- Die Spedition von Karl Zaruba in Horn war ein wichtiger Partner für die regionale Wirtschaft.
- Über viele Jahre hinweg war das Lebensmittelgeschäft von Gabriele Schuh in Großau bei Raabs Dreh- und Angelpunkt der örtlichen Nahversorgung.
- In der Mitte des vorigen Jahrhunderts waren in Dietmanns bei Groß- Siegharts noch zwei Wassermühlen und eine Windmühle in Betrieb.
- 1847 ließ Josef Adensamer in Groß-Siegharts eine Bandweberei errichten, in deren Blütezeit fanden hier bis zu 500 Beschäftigte Arbeit.
- Im 1924 vom Wiener Seidenwarenfabrikanten Samuel Eisenberger errichteten Stahlbetonbau in Gmünd waren bis zu 300 Personen beschäftigt.
- Die Bobbin-Möbel aus Gmünd hatten in den 1950er- und 1960er-Jahren einen ausgezeichneten Ruf. Die noch bestehenden Fabriksgebäude werden heute auch für Jugend- und Kulturprojekte genützt.
- Das Unternehmen Bobbin mit Sitz in Gmünd wurde 1923 auf dem Areal des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers errichtet.
- Mit Jahresende 2015 konnte in Rappoltschlag kein neues Kommando gefunden werden. Danach wurde ein ungewöhnlicher Schritt gewählt, die Freiwillige Feuerwehr des Ortes löste sich auf.
- Die den Heiligen Petrus und Paulus geweihte ehemalige Pfarrkirche in Döllersheim kann gegen Voranmeldung besichtigt werden.
- Im Dezember 2010 wurde auch der Personenverkehr von Waidhofen an der Thaya nach Schwarzenau eingestellt.
- Auch die ehemalige ÖBB-Werkshalle am Bahnhofsareal in Martinsberg hat längst ihre Funktion verloren.
- Bis 21. Dezember 2007 gehörten in Gmünd Passkontrollen zum Alltag. Als die Tschechische Republik Mitglied des Schengen-Abkommens wurde, konnte auch diese Grenze problemlos passiert werden.
Die Autoren
János Kalmár, geboren 1937 in Budapest, lebt und arbeitet als freier Fotograf in Wien. Er ist Bildautor zahlreicher Bildbände. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Kulturgeschichte, Landschafts- und Städteporträts, Architektur und Menschenbilder.
Dr. Reinhard Linke, geboren 1959, ist Journalist beim ORF Niederösterreich, Autor in den Bereichen Kultur und Geschichte sowie seit 2010 Programmkurator der WALDVIERTEL AKADEMIE.
Christoph Mayer, MAS, geboren 1985, studierte Kulturmanagement in Wien, ist diplomierter Eventmanager und war von 2008 bis 2020 Geschäftsführer der WALDVIERTEL AKADEMIE.