Kellergasse Oberkreuzstetten

Es ist ein sonniger Herbsttag. Die Sonne strahlt, es weht ein kalter Wind. So richtig gemütlich zum Draußensitzen ist es nicht. Wir wandern über das rumpelige Kopfsteinpflaster hinauf zum Fossilienkeller. Lois, der Kellerbesitzer, wird uns durch seinen Keller, den er selbst erweitert, und Rundgänge und Gewölbe und böhmische Platzln gemauert hat, führen. Aber das alles wird er uns noch genau erzählen. Jetzt stehen wir rund um ein Fassl, das als Tisch dient, haben ein Glas Wein in der Hand. „Bitte auf die Gläser aufpassen, hier herunten gibt es kein Wasser, jeder bekommt nur ein Glas“.

Während wir warten, vertieft sich der Lois und ein Weinbauer in ein Gespräch. Beide haben sie sich vor kurzem eine Akku-Scheibtruhe angeschafft. Beide sind froh über dieses Hilfsmittel. „Meine Familie war anfangs skeptisch, aber es hilft wirklich“, sagt der Weinbauer. „Ich bewege im Jahr 80 bis 100 Tonnen Erde. Da werden die Hände schon lang, wenn man die nur in Kübeln hinaus tragt“, sagt der Lois. Beide haben sie eine „Zipper“.

Dann führt uns Lois durch sein Reich. 1992 hat er diesen verfallenen Keller um Schilling 500,- gekauft und seit 10 Jahren grabt er seine Kellerröhren, baut Kuppeln und Kappeln und erzählt das so locker und alles klingt so einfach. Aber allein, die Menge an Erde, die er bewegt und die formschönen Rundungen, die er baut, sind ein unglaubliches Werk. Er erzählt, wie er mit Hilfe von Schnüren die ideale Höhe der Räume und den richtigen Grad der Rundungen ermittelt. Er fertigt maßstabgetreue Modelle an und dann baut er drauf los. Er gibt sein Wissen auch gerne in Kursen weiter.

Die Muscheln, die er nebenbei findet, sind in Vitrinen ausgestellt. In einer Vitrine befindet sich ein versteinerter Knochen. Er könnte ein Mammutknochen sein, aber bestätigt ist das nicht. Die Lößschichten, die sich hier unten befinden, sind 30 000 bis 50 000 Jahre alt, sagt er.

Wir gehen durch die frisch gegrabenen Gänge. Lois hat inzwischen auch einige Nachbarkeller aufgekauft und die will er unterirdisch verbinden. Zum Abschluss stehen wir vor einem angefangenen Gang, der eine Ahnung davon gibt, wie viele Scheibtruhen Erde noch nach oben gebracht werden müssen. Die Pläne sind jedenfalls eingereicht und bewilligt. „Die Arbeit für weitere fünf Jahre ist gesichert“, lächelt Lois.

Dann erzählt er uns von der „Kellerstund“. „Das sind die Stunden, in denen man nach getaner Arbeit vor oder im Keller sitzt, sich ausruht und sinniert. Da kommen die besten Ideen“, sagt der Lois.

Ja, und eine seiner Ideen ist es, dass er in dem einen größeren Raum, im ersten Keller, öfter kleine, aber feine Veranstaltungen organisieren möchte. Didi Sattmann hat ihn gefragt, ob er nicht hier ein Fest veranstalten dürfe. Didi hat Familie und Freunde zu einer Performance eingeladen. Wir alle setzen uns erwartungsvoll auf die vorbereiteten Bänke. Didi Sattmann steht mit einem Pack Papier vorne auf der Bühne. Er stellt uns Clementine Gasser, die neben ihm mit ihrem Cello sitzt, vor. Er begrüßt uns und sagt, dass er diesen Nachmittag Bodo Hell widmen möchte, denn Clementine und er haben sich durch den Dichter kennen gelernt.

Danach schaut er in seine Zettel, schreit uns Sätze entgegen, knüllt die leer gesprochenen Seiten zusammen und schleudert sie ins Publikum. Clementine wirft Töne dazwischen. Es ist ein zorniges Gemisch aus Worte, Buchstaben und Noten.

Zum Abschluss herrscht kurze Stille. Dann erzählt Didi, dass er früh gelernt hat, dass Männer keine Gefühle haben. Seit er sich mit diesen Sätzen, die sein Vater zu ihm sagte, beschäftigt, fühlt er sich befreit. Durch das Aufschreiben, sei er dem Vater auch wieder näher gekommen. „Es sind Männersätze. Frauen haben auch Sätze, andere Sätze, Frauensätze“.

Nach der wortgewaltigen Performance spielt Clementine zwei Stücke auf ihrem Cello. Die Töne füllen den Raum.

Nach dem Konzert gibt es ein von Lois selbst gebackenes Brot, Aufstriche und Kuchen. Wir stehen beisammen. Ich denke, genau so fühlt sich eine „Kellerstund“ an.

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