Ein Februarspaziergang im Nebel
Wir treffen uns am Hauptplatz in Schleinbach beim Kaiser Franz Josef. Seit Tagen hängt der Hochnebel im Weinviertel, Bilder von blauem Himmel und sonnigen Berghängen sehen wir im Fernsehen.
Über den Fahrradweg gehen wir nach Ulrichskirchen. Unser erstes Ziel ist das Garagentor der Künstlerin Helga Petermann (landschaffen.at) in der Schleinbacher Straße. Sie stellt dort aus Nasen-Mundschutzmasken hergestellte Skulpturen aus. Das Ballkleid aus schwarzen Masken auf einer Kleiderpuppe gefällt mir und ich denke, dieses Kleid könnte Kaiserin Elisabeth tragen. So ergibt sich eine direkte Verbindung von der Schleinbacher Franz Josefsbüste zur Ulrichskirchner Sisikleiderpuppe.
Unser nächstes Ziel ist der Bachweg. Dort treffen wir Brigitte. Sie zeigt uns Orte, an denen sie früher spielte. „Der Seegraben war ein interessantes Gewässer, die Buben bauten dort Staudämme. Ich durfte nicht mitmachen, sondern musste stattdessen unseren Hund Zilli an der Leine fest halten. Es dauerte nicht lange, bis ich und der Hund im Bach landeten“, erzählt Brigitte lachend. Ihre Mutter fand das weniger lustig, als sie so nass und schmutzig zu Hause ankam. Brigitte zeigt auf eine Wiese: „Dort war ein riesengroßer Schweinstall. Da waren sicher so an die 500 Säue drinnen. Es hat fürchterlich gestunken und um halb fünf Uhr, kurz vor der Fütterung, war der Lärm jedes Mal ohrenbetäubend.“
„Auf der anderen Seite des Bachweges standen damals noch keine Häuser. Nur die Tante wohnte dort. Es war das letzte Haus in der Gasse und dann waren nur noch Wiesen und Felder.“ Heute ist dieses Gebiet dicht verbaut.
Wir kommen zum Park des Schlosses. Der Park ist eingezäunt, so wie vor zirka 50 Jahren auch. Damals war das Schloss allerdings nicht bewohnt und durch ein Loch im Zaun, konnten die Kinder diesen „Urwald“ betreten. Die Mutter durfte davon natürlich nichts wissen. Die Schlittenfahrten im Park auf den verschneiten Schollen des Feldes machten wesentlich mehr Spaß, als die offizielle Rodelbahn in der Meierhofgasse. Begeistert beschreibt Brigitte die Hupferlbahn, auf der sie mit ihrer Schwester, ihrem Bruder und den Freundinnen und Freunden Wettrennen veranstalteten. Im Winter konnten die Kinder auch Eislaufen. Das Gebiet zwischen Ulrichskirchen und Wolkersdorf war damals noch versumpft und stand oft unter Wasser. Bis nach Wolkersdorf konnte man dann mit den Schlittschuhen laufen. Manchmal kam auch eine Eiskunstläuferin aus Wolkersdorf. Sie brachte den Mädchen Kunststücke bei. Brigitte schwelgt in Erinnerungen und wir hören ihr gerne zu. Wir können uns gut vorstellen, wie die Kinderbande durch den Wald läuft, auf Bäume klettert. „Ich bin ja nicht auf die Bäume“, gesteht Brigitte, „das war meine Schwester. Sie war viel mutiger als ich.“
„Im Rußbach haben wir Krebse gefangen. In Blechdosen haben wir sie über dem Lagerfeuer gekocht und dann verspeist. Erst viele Jahre später, haben wir uns bei einem Treffen gestanden, dass es uns sehr gegraust hat“, erzählt Brigitte. „Ob es heute noch Krebse im Bach gibt, weiß ich nicht.“
Durch die Meierhofgasse gelangen wir zum Schloss. „Hinter diesen Mauern, war damals eine riesige Gärtnerei. In dem Gebäude befanden sich die Geräte, die Glashäuser existieren nicht mehr. Auf der anderen Seite im Meierhof arbeitete mein Großvater. Er kam 1933 als Gutsverwalter nach Ulrichskirchen.“
Der Meierhof wechselte vor kurzem seinen Besitzer. Das Gebäude wird gerade renoviert. Brigitte beschreibt drei riesigen Silos, die früher hier standen. Ein abgeschrittener Ring eines Silos wurde beim Bau eines Schwimmbeckens in ihrem Garten verwendet. „Das Wasser kam aus dem Seegraben und war nicht klar und durchsichtig, sonder grün und braun. Aber, wir haben dort alle schwimmen gelernt und hatten unseren Spaß.“
Vor dem Schloss verabschieden wir uns von Brigitte. Wir stehen jetzt direkt am Spielplatz. Er ist heute verwaist und nicht so romantisch wie der abenteuerliche Park hinter dem Loch im Zaun, aber mit der Schaukel, der Sandkiste, der Kletterwand und dem Wasserbrunnen ist er sehr schön angelegt.
Über den Kirchenplatz kommen wir zum Marktplatz. Kurz biegen wir in die Sackgasse ein und bewundern die Gärten, die von der Durchzugsstraße aus nicht zu erahnen sind. Über die Viehtrift gehen wir dann rasch nach Hause. Am Hügel vor Schleinbach, sehen wir die Spitze unseres Lagerhausturmes. Vor einem Jahr haben wir mit einer Besteigung des Turmes unsere Spaziergänge begonnen. Wir konnten damals noch nicht ahnen, wie wichtig unsere nähere Umgebung in diesem Jahr werden würde. Wir entdeckten viel Neues, freuten uns darüber und vermissten doch auch das Reisen. Wir werden weiterspazieren gehen und darüber berichten. Und wir hoffen, bald wieder größere Kreise ziehen zu können.
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