„Ich wollte Wien liebhaben, habe mich aber nicht getraut“.

Ausstellung von 28.2.2024 – 28.1.2025

Im Bezirksmuseum Josefstadt ist eine Ausstellung über das Leben der Schriftstellerin Lore Segal.

In vier Vitrinen liegen Fotos, Briefe und Erinnerungstücke der Autorin. Sie wurde am 8. März 1928 in Wien geboren und musste mit zehn Jahren ihre Heimatstadt verlassen. Über England, die Dominikanische Republik landete sie in New York. Die Fotos zeigen sie als Kleinkind, als Volksschülerin, zeigen sie mit ihren Freundinnen und mit ihrer Familie.

Hier in Wien nahm sie Ballettstunden, schloss Freundschaften, spazierte mit ihrer Mutter im Hamerlingpark. Briefe zeugen von ihrer Sehnsucht nach ihrem verlorenen Leben und die Sorgen der Eltern. In einer Vitrine liegt ein Schnitzelklopfer. Er begleitete die Familie auf all ihren Fluchtstationen. Was würde ich einpacken, wenn ich ganz plötzlich meine Haus, mein Dorf verlassen müsste, frage ich mich.

Lore wird mit dem ersten Kindertransport nach England geschickt. Sie wünscht sich Knackwurst als Reiseproviant. Die Mutter besorgt diese noch rasch, obwohl der Vater verzweifelt darauf hinweist, dass Besorgungen gefährlich seien und keine Zeit dafür ist. Lore erzählt, dass vermeintlich unwichtige Dinge und Wünsche auf der Flucht ganz groß wurden. Nur so konnte man das unvorstellbare Grauen überleben.

„Im Alter von zehn Jahren sagte ich mich von einem Schmerz und einer Trauer los, die unfassbar waren, und beschloss, in diesem Abschied den Beginn eines spannenden Abenteuers zu sehen: Wie aufregend, redete ich mir selbst ein.“

Lore hatte sehr bald den Wunsch Schriftstellerin zu werden. Ihr Werk umfasst Romane, Kurzgeschichten, sie schrieb Kinderbücher, Essays und Rezensionen. Für ihr Werk erhielt sie unzählige Preise. 2000 erschien der Roman „Wo andere Leute wohnen“. Es ist das eine literarische Erinnerung an das Heranwachsen im Exil.

In New York, wo sie auch heute noch lebt, findet sie auch ein Heimatgefühl wieder.

„Es ist, wie ich glaube, diese Art, wie sich unsere Geschichten in die Luft legen, auf die Straßen, auf die Häuser von New York, was den Fremden eingemeindet.“

1968 reiste sie auf Vorschlag ihres Mannes zum ersten Mal nach Österreich zurück.

„Ich weinte mich durch ganz Wien.“

Inzwischen waren auch ihre Kinder und Enkelkinder in Österreich. Alle haben sie die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen, Lore wollte das nicht.

Am Ende unseres Ausstellungsbesuchs hören wir noch ein ausführliches Interview, das im Jahre 1998 Käthe Kratz mit Lore Segal in New York führte. Lore Segal beschreibt detailliert ihre ersten zehn Jahre in Wien und spricht darüber, wie die Situation für die Familie immer bedrohlicher wurde. Sie erzählt, wie ihre Eltern aus der Wohnung vertrieben wurden, wie sie kurz Unterschlupf bei ihren Großeltern in Fischamend fanden und wie sie die letzten Wochen in einer Wohnung einer befreundeten Familie verbrachte. Sie schildert, wie immer mehr Menschen in diese Wohnung eingewiesen wurden und alle mussten ihre Möbel mitbringen.

„Die Wohnung glich einem Möbellager, wir hatten nur ganz schmale Gänge zwischen den Kästen, Tischen, Sesseln und Betten. Es war die reine Schikane.“

Am Heimweg kehren Clasien und ich im Café Hummel ein. Dieses Kaffeehaus existiert seit 1935.

Fotografiert wurde von Clasien Swierstra, das Copyright für die in der Ausstellung gezeigten Fotos liegen beim Bezirksmuseum bzw. bei Lore Segal.

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