Friedl Dicker-Brandeis
Clasien und ich fahren nach Linz ins Kunstmuseum Lentos. Dort wird das Werk der Künstlerin Friedl Dicker-Brandeis gezeigt.
Friedl Dicker-Brandeis, wurde 1998 in Wien geboren und 1944 in Auschwitz ermordet. Sie studierte in Wien, am Weimarer Bauhaus, betrieb mit ihrem Kollegen Franz Singer in Berlin und Wien ein Atelier für Innenraumdesign und wandte sich schließlich ganz der Malerei zu.
In der Schau sehen wir zuerst die Malereien, die in ihrer Studienzeit in Wien entstanden sind. Im unserem Rundgang begegnen wir danach Architekturmodellen, Stoffentwürfen, Möbeln und Spielzeug. Diese Dinge entstanden in den Ateliers, die sie gemeinsam mit Franz Singer betrieb. Anfang der 30iger Jahre trat Friedl Dicker-Brandeis der Kommunistischen Partei bei. Sie gestaltete Plakate und Collagen. Als man in ihrem Atelier belastendes Material fand, wurde sie verhört und verhaftet. Einige Monate verbrachte sie im Gefängnis. Die Malereien aus dieser Zeit verdeutlichen die Repressalien, denen sie ausgesetzt war.
Aus ihrer Prager Zeit und ihrer Zeit in Hronov stammen Gemälde, Portraits und Landschaften. Ich mag die Frauen und Männer, die dargestellt werden und in Gedanken versunken in die Zukunft schauen zu scheinen. Von den Landschaften ist mir besonders die Straße durch eine Allee grüner Bäume im Gedächtnis geblieben.
Filme begleiten die Ausstellung. Freundinnen und Schüler und Schülerinnen kommen zu Wort. Sie erzählen von einer leidenschaftlichen Frau, die nächtelang diskutieren konnte und ihre Meinungen und Ansichten mit großer Vehemenz vertrat. Eine ihrer Kolleginnen aus der Studienzeit erzählt, dass sie die Ruhe zum Malen erst nach ihrer Hochzeit mit ihrem Mann Pavel fand. Die Gemälde zeugen davon, sie musste nicht mehr 1000 Dinge gleichzeitig tun.
Ein kleiner, angrenzender Raum zeigt Zeichnungen von Kindern aus Theresienstadt. Friedl Dicker-Brandeis unterrichtete diese Kinder. Die Zeichnungen zeigen den Alltag mit den beengten Wohnverhältnissen, den Essensausgaben, den Abholungen. Der Tod ist allgegenwärtig, Leichenwägen fahren durch die Straßen. Dennoch sind die Zeichnungen bunt und fröhlich, lassen aber den schweren Alltag erahnen. Die meisten dieser Kinder starben 1944 wie auch die Künstlerin, die im Oktober nach Auschwitz deportiert und sofort nach ihrer Ankunft ermordet wurde.
Mit schwerem Herzen verlassen Clasien und ich die Ausstellung. Im Ohr habe ich die Aussage einer Zeitgenossin: Friedl war eine Frau, die sich immer mit voller Kraft für eine Sache einsetzte. „Erst in Hronov fand sie Ruhe und Klarheit“.
Wir spazieren durch das Zentrum von Linz, finden ein nettes Lokal: Das gelbe Krokodil. Lange reden wir über die Künstlerin, ihre Möbelentwürfe, ihre Stoffdesigns, das Holzspielzeug, die politische Einstellung, die Liebe zu ihrem Mann, dem sie freiwillig nach Auschwitz folgte, da sie ihn nicht allein lassen wollte.
Auf dem Weg zum Bahnhof fällt uns ein markanter Holzturm auf. Wir beschließen sofort, dass wir diesen Turm bei einem nächsten Ausflug nach Linz besteigen wollen. Im Zug lese ich über das Projekt „Höhenrausch“, in dem der Holzturm ein Teil davon ist. Der „Höhenrausch“ ist ein Kunstprojekt, das mehrere Gebäude und ihre Dachböden miteinbezieht. Ein „Weg“ führt über die Dächer der Stadt und gewährt ganz spezielle Einsichten. Dieses Projekt gibt es seit 2009 und wird 2022 zum letzten Mal unter dem Titel „Paradies“ stattfinden.
Auf unserer Heimfahrt sind wir müde, voller Gedanken und mit dem festen Vorsatz, die Stadt spätestens im Sommer wieder zu besuchen.
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